Die Behandlung mit Alignern in der Kieferorthopädie ist schon lange viel mehr als eine Randerscheinung. Dies konnte der 4. Wissenschaftliche Kongress für Aligner Orthodontie wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Über 600 Teilnehmer aus 25 Ländern zeigten ihr Interesse an den neusten Entwicklungen und Möglichkeiten der Aligner-Therapie und folgten der Einladung der DGAO e.V. nach Köln. Mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen konnte diese Gesellschaft als Veranstalter des weltweit bedeutsamsten, herstellerunabhängigen Aligner-Kongresses erneut viele namhafte internationale Vortragende finden, die den Teilnehmern den größtmöglichen Wissensgewinn für Ihre Praxis vermittelten.

Der Schwerpunkt lag auch in diesem Jahr besonders auf der klinischen Anwendung der verschiedenen Aligner-Systeme. Damit wurde die DGAO dem Wunsch der Kollegen nach noch mehr praxisorientierten Vorträgen gerecht. Aber selbst die wissenschaftlichen Beiträge kamen nicht zu kurz. Ferner wurden ebenfalls die rasanten Entwicklungen computergestützter Technologien diskutiert, die letztlich einen digitalen Workflow in der Aligner-Behandlung ermöglichen.

Schon traditionell stellte der Gürzenich als Veranstaltungsort den geeigneten, stilvollen Rahmen. An zwei langen Tagen gaben 35 renommierte Referenten den aktuellen Stand der Aligner-Orthodontie wieder, und knapp 40 Aussteller aus der Dental-Industrie präsentierten ihre neuesten Entwicklungen. Der vor zwei Jahren erstmals veranstaltete Parallelkongress für zahnmedizinische Fachangestellte war in diesem Jahr ebenfalls für Zahnärzte und Kieferorthopäden zugänglich, so dass sich das gesamte Praxisteam gemeinsam weiterbilden konnte.

Den ersten Tag des wissenschaftlichen Programms eröffneten die Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich und Prof. em. Dr. Rainer-Reginald Miethke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie e.V.. In seiner Begrüßung hob Professor Miethke die besondere Bedeutung dieses zwar deutschen aber mittlerweile auf internationalem Niveau rangierenden Kongresses hervor. Für den Auftakt des wissenschaftlichen Teils sorgten Dr. Werner Schupp und Dr. Wolfgang Boisserée. In Ihrem gemeinsamen Vortrag beschrieben sie die Korrelation zwischen Okklusion, Nerven, Muskeln und Gelenken und leiteten daraus Behandlungsstrategien in der Zusammenarbeit zwischen Kieferorthopädie und restaurativer Zahnheilkunde ab. „To finish first, you have to finish first“ lautete der Titel des nächsten Vortrags von Woo-Ttum Bittner, in welchem er das CAD/CAM basierte schnelle Finishing mit Positionern und Aligner unter zur Hilfenahme von Suresmile Elemetrix erläuterte. Sherif Kandil konzentrierte sich in seinem Beitrag auf neue Zubehöranwendungen, die es erlauben, selbst schwierige Behandlungen mit Clear Alignern durchzuführen. Wie man mit Invisalign® i7- und Invisalign®-Lite-Behandlungen auch bei Patienten mit einer Angle-Klasse II und III erfolgreich sein kann, zeigte im Anschluss Dr. Beatriz Solano Mendoza aus Spanien.

Am Nachmittag erläuterte Prof. Dr. Benedikt Wilmes, Universitätsklinikum Düsseldorf, in seinem Beitrag die Möglichkeiten und Probleme bei der kombinierten Behandlung von Alignern und skelettal verankerten Mini-Schrauben. Es folgte der aus Japan angereiste Dr. Hirohide Arimoto mit seinen Tipps für eine beschleunigte Alignern-Behandlung, die immer populärer wird. Möglichkeiten der Invisalign® Behandlung bei Kindern und Jugendlichen erörterte anschließend die Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich. Der Schweizer Fachzahnarzt Dr. Philipp Scheurer zeigte danach anhand klinischer Beispiele die Distalisierung von Seitenzähnen im Unterkiefer als eine interessante Behandlungsvariante. Um die Anwendung biomechanischer Studien zur Entwicklung eines zuverlässigen klinischen Protokolls für die Aligner-Therapie mit dem Air Nivol-System drehte es sich in dem Vortrag von Dr. Vincenzo D’Antò aus Italien. Ihm folgte das Duo aus Österreich und der Schweiz, DDr. Bärbel Reistenhofer und Dr. Marco Tribò, das die Indikationen für eine beschleunigte Aligner-Behandlung unter Einsatz des Orthopulse® Gerätes vorstellte. In ihrer klinischen Studie bewertete Dr. Isabelle Graf die Wirksamkeit von Invisalign®-Behandlungen bei erwachsenen Patienten, und Dr. Nils Stucki aus der Schweiz verglich die gebräuchlichsten Aligner-Systeme mit dem neuen Behandlungssystem nivellipso®, made in Switzerland. Den Abschluss des ersten Kongresstages bildete Dr. Konstantin Pischel aus Linz. In seinem Vortrag berichtete er über die Grenzen, die Planung des richtigen Zeitpunktes sowie die Auswahl der richtigen Werkzeuge für eine approximale Schmelzreduktion im Rahmen von Aligner-Therapien.

Der zweite Kongresstag wurde durch den spanischen Kollegen Dr. Pablo Echarri mit einem Beitrag über die Integration des digitalen Workflows in den Praxisalltag am Beispiel von CA Clear Alignern eröffnet. Dann beschrieb Dr. Tommaso Castroflorio aus Italien in seiner beeindruckenden multimedialen Präsentation die Entwicklung der Invisalign® Aligner von der Grundlagenforschung hin zur klinischen Anwendung. Dr. Wajeeh Khan stellte in seiner Präsentation die orthocaps® hybrid-Aligner-Behandlung vor, einem innovativen Konzept, mit dem sich auch komplexe Fälle zuverlässig und effektiv behandeln lassen. Eine interessante wissenschaftliche Studie präsentierte Dr. Christina Erbe, Oberärztin der Universitätsklinik Mainz. Sie untersuchte White Spot Läsionen bei Teenagern während der Aligner-Therapie. Dr. Jörg Schwarze beschrieb schließlich die besonderen Herausforderungen und Möglichkeiten von Tiefbisskorrekturen mit Alignern. Ihm folgte der französische Kieferorthopäde Dr. David Couchat, der die klinischen Unterschiede bei der Einordnung retinierter und verlagerter Zähne bei Jugendlichen und Erwachsenen erklärte. International blieb es weiterhin mit dem japanischen Kollegen Dr. Kenji Ojima, der, wie bereits zwei Jahre zuvor, erneut mit seiner Präsentation von Extraktionsbehandlungen mit Invisalign® und Accelerationstools beeindruckte.

Nach einem geselligen Zusammenkommen, das durch die Hauptsponsoren CA Digital, Align Technology und orthocaps® zustande kam, folgte am frühen Nachmittag eine klinische Studie über Zahnhartsubstanzverlust unter Aligner-Therapie; sie wurde von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Herrn Wassim Kassem, der Charité Berlin präsentiert. Dr. Kamy Malekian aus Madrid berichtete in seinem Vortrag über die Distalisierung mit der Invisalign®-Technik bei Patienten mit einer Angle-Klasse III. In ihrem Gemeinschaftsvortrag stellten die beiden Referenten Dr. Thomas Drechsler aus Wiesbaden und Dr. Boris Sonnenberg aus Stuttgart danach die Digitale Praxis 2.1 vor, in welcher vom Management über die Diagnostik bis hin zur Planung einer komplexen Umstellungsosteotomie alle Behandlungsabläufe voll digitalisiert durchgeführt werden. Prof. James Mah der University of Nevada, Las Vegas, USA, zeigte Strategien auf, die bei der Rotationskorrektur konisch geformter Zähne mit Alignern zuverlässig sind. Dr. Michael Thomas aus Berlin ging anschließend der Frage nach „To scan or not to scan“ und beschrieb seine Erfahrungen im Praxisalltag mit Intraoralscannern. Prof. Dr. Rolf Hinz zeigte in seinem Vortrag die Vorteile des von ihm entwickelten, schraubenaktiven HINZaligners auf, welcher sich als effektives Initialgerät vor einer Aligner-Therapie eignet. Der Abschluss des Kongresses gebührte Rechtsanwalt Michael Zach mit seiner Darstellung juristischer Aspekte bei der beschleunigten Kieferorthopädie aus Sicht der Patienten und Kostenträger.

Zeitgleich zum wissenschaftlichen Programm fand der Parallelkongress für das gesamte Praxisteam statt. Das breit gefächerte Angebot umfasste die Themen der praxisnahen Abrechnung von Alignerbehandlungen, fachgerecht erklärt von Katrin Haase; Grundlagen einer vorbildlichen Patienten-Fotografie von Prof. Dr. Rainer-R. Miethke; Teambuilding, Konfliktmanagement und Trouble-Shooting, von Kay F. Weltersbach; intraorales Scannen, aufbereitet von Dr. Michael Thomas, und die erfolgreiche Integration von verschiedenen Bleaching-Methoden in den Praxisalltag, dargestellt von Zahnarzt Dr. Stephan Höfer.

Auch das Abendprogramm wartete wieder mit etwas Außergewöhnlichem auf. Auf über 100 Metern Höhe konnten die Kongressteilnehmer am Freitagabend im Turm des „Köln SKY“ bei einem stilvollem 3-Gänge-Menu den Blick über die beleuchtete Dom-Stadt schweifen lassen, bevor bis spät in die Nacht das Tanzbein geschwungen wurde.

DGAO-Wissenschaftspreis 2016

Bereits am Freitagabend wurde im Anschluss an das Tagungsprogramm zum dritten Mal der DGAO-Wissenschaftspreis verliehen. Der mit 14.000 € dotierte Förderpreis zeichnet besondere wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Aligner Orthodontie aus. In diesem Jahr konnte der Präsident der DGAO, Prof. Miethke, einen überdimensionalen Scheck an die Projektgruppe um Prof. Dr. Karl-Friedrich Krey von der Universität Greifswald (Dr. Peter Schicker, Dr. Christian Schwahn und Dr. Philipp Eigenwillig) übergeben. Prof. Miethke referierte kurz über deren Arbeit mit dem Titel „Biologische Realität computergeplanter Zahnbewegungen mit Alignern – eine multizentrische, prospektive Untersuchung“. Diese Studie zielt darauf ab, sowohl in vitro wie auch in vivo das therapeutische Potenzial von Alignern zu analysieren.

Teilnehmer, Aussteller und Veranstalter waren sich alle einig: Der diesjährige Kongress hat die bereits hohen Erwartungen bei weitem übertroffen. Und so freute sich Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich nach zwei anstrengenden Tagen schon auf den nächsten Aligner-Kongress der DGAO e.V.. Dieser wird erneut in Köln am 23. und 24. November 2018 stattfinden.

Die komplette Pressemitteilung::

Pressemitteilung_DGAO-Kongress_2016.pdf (56 KB)