Unter diesem Motto stand der nun mehr 5. Wissenschaftliche Kongress für Aligner Orthodontie. Knapp 700 Teilnehmer aus 29 Ländern bekundeten ihr Interesse an den neusten Entwicklungen und Möglichkeiten der Behandlung mit Alignern und folgten der Einladung der DGAO e.V. in den Kölner Gürzenich. Mit diesem jüngsten Anstieg der Teilnehmerzahlen, unterstreicht die Veranstaltung die Bedeutung der Aligner-Therapie in der Kieferorthopädie und den Bedarf an Orientierung und Fortbildung auf dem immer stärker werdenden Aligner-Markt. Dank Ihrer langjährigen Kongresserfahrung konnte die DGAO als souveräner Veranstalter erneut viele namhafte internationale Vortragende mit ihren aktuellen Beiträgen für das zweitägige, hochkarätige Programm gewinnen. Durch das vermittelte Wissen zu Praxis und Forschung stellt sich der Wissenschaftliche Kongress für Aligner Orthodontie seinen globalen Teilnehmer als der weltweit bedeutsamste, herstellerunabhängige Kongress auf diesem Gebiet dar.
Schon traditionell bietet der Gürzenich als Veranstaltungsort den geeigneten, stilvollen Rahmen. An zwei langen Tagen gaben 32 renommierte Referenten den gegenwärtigen Stand und Zukunftsaussichten der Aligner Orthodontie wieder. Das Themenfeld reichte von grundlegenden Fragen des Einsatzes von Alignern und unterschiedlichen Aligner-Systemen über spezielle Einsatzmöglichkeiten und Erfolgsaussichten bis hin zu rechtlichen Fragen und der kritischen Bewertung der in jüngster Zeit aufkommenden sogenannten „Aligner-Online-Shops“. Begleitet wurde der Kongress von einer Dental-Ausstellung mit knapp 30 Ausstellern, welche ihre neuesten Entwicklungen präsentierten.
Wissenschaftliches Programm
Den ersten Tag des wissenschaftlichen Programms eröffneten die Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich und Prof. em. Dr. Rainer-Reginald Miethke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie e.V.. In seiner unterhaltsamen Begrüßung hob Professor Miethke die kritische und für den Patienten gefährliche Entwicklung des Direktverkaufs von Schienen zur Zahnkorrektur hervor, wird diesem doch unter anderem eine fachgerechte Beratung und Betreuung durch qualifizierte Kieferorthopäden vorenthalten. Zur Einstimmung, vor dem wissenschaftlichen Programm, vermittelte Gedächtnistrainer Markus Hofmann sehr anschaulich und kurzweilig ein einfaches Konzept die Lern- und Merkfähigkeit zu steigern. Den wissenschaftlichen Teil eröffnete im Anschluss Woo-Ttum Bittner mit einer Gegenüberstellung zweier ästhetischen Behandlungsoptionen: Aligner vs. Linguale Behandlung anhand von Behandlungsbeispielen mit nahezu identischer klinischer Ausgangslage. Erste Ergebnisse einer Studie zur simultanen in vitro 3D Kräftemessung bei Aligner-Schienen stellte im Anschluss Masoud Behyar von der Universität Greifswald vor. Als erster internationaler Referent, präsentierte Dr. Kamy Malekian aus Spanien, eine Reihe von erfolgreich mit Invisalign® behandelten Patienten mit abgeschlossener, stabiler Parodontalbehandlung. Dr. Christina Erbe untersuchte hingegen in ihrer Arbeitsgruppe der Universitätsmedizin Mainz, die Veränderung parodontaler Markerkeime bei der Aligner-Behandlung. Aus Kanada angereist, teilte Dr. Sam Dahar den Zuhörern seine Erfahrungen mit dem OrthoPulse®-System zur Beschleunigung der Aligner Orthodontie mit. Den Vormittag des ersten Tages beendete Dr. Andrea Bazzucchi aus Italien mit seinem Vortrag über die Implementierung des Digital Smile Design in den Invisalign®- Planungsprozess.
Gestärkt ging es dann in der zweiten Runde mit Dr. Stephan Peylo weiter, der den kompletten digitalen Workflow für die Alignerherstellung vom Scan bis zum 3D-Druck für die eigenen Praxis und dessen Rentabilität am Beispiel des CA Clear-Aligner Systems aufzeigte. Es folgte Prof. Dr. Tarek El-Bialy aus Kanada mit der Darstellung klinischer Beispiele unter Einsatz der Photobiomodulation bei komplexen Aligner- Behandlungen und insbesondere den damit verbundenen Vorteilen für Erwachsene. Dr. Jason Battle aus Orlando, Florida (USA) präsentierte anschließend verschiedene Anwendungsmöglichkeiten zu der ClearCorrect™-Aligner-Methode. Ein weiteres System stellte Dr. Vincenzo D’Antò aus Italien mit den Airnivol®-Alignern am Beispiel der Behandlung von Patienten mit dentoalveolären Asymmetrien vor. Eine interessante Studie der Universitätsmedizin Mainz wurde im Rahmen Ihrer Promotionsarbeit von Frau von Mirette Hitti unter dem Titel „Retrospektiver Vergleich der Unterkiefer-Proklination bei der Aligner-Therapie versus der Herbst-Apparatur“, vorgestellt. Aus der Universität Graz berichtete Dr. Michael Nemec von einer weiteren, retrospektive radiologische, Studie zur Untersuchung der Unterschiede externer Wurzelresorptionen während kieferorthopädischer Behandlungen mit Invisalign®- und Multiband-Therapien. Mit einem Doppelvortrag über das erfolgreiche Zusammenwirken zwischen Mini-Implantaten und Alignern beendeten schließlich Dr. Jörg Schwarze und Prof. Dr. Benedict Wilmes das wissenschaftliche Programm des ersten Kongress-Tages.
Den juristischen Hintergrund, der von Prof. Miethke eingangs erwähnter Problematik des Direktvertriebs von Alignern an Patienten, erläuterte der Fachanwalt für Medizinrecht Herr Michael Zach zur Eröffnung des zweiten Kongresstages. Dr. Dietmar Zuran begab sich anschließend auf interessante Ursachenforschung – warum Aligner Behandlungen nicht immer planmäßig funktionieren. In einem weiteren Doppelvortrag zeigten Dr. Werner Schupp und Frau Prof. Dr. Ulrike Ehmer die fakultative Symbiose zwischen funktioneller Kieferorthopädie und Aligner Orthodontie auf. Es folgte eine Untersuchung zu White Spot Läsionen während der Behandlung mit Alignern unter Einsatz von Invisalign®-Teen im Vergleich zur Multiband-Behandlung von Philipp-Jan Hofman. Ein gänzlich neuartiges Aligner-System präsentierte Jhonny León Valencia aus Spanien, welches virtuelle Brackets und beschichtete Drahtbögen in Clear Alignern integriert. Einen aktuellen Beitrag zum digitalen Workflow der Alignerherstellung lieferte Dr. Akim Benattia aus Frankreich bevor Dr. Boris Sonnenberg der Frage nach ging, was Erfolg in der kieferorthopädischen Praxis ausmacht und wie der Kieferorthopäde als Unternehmer, Manager und Fachkraft mit System effizient agieren kann. Vor der Mittagspause erklärte Dr. Mohamed El Had aus Marokko welchen Beitrag die Invisalign®-Technik zur Verschönerung des Lächelns leistet.
Nach einem geselligen Come Together im Namen der Hauptsponsoren Align Technology, Biolux Research und CA Digital, folgte am frühen Nachmittag der Gemeinschaftsvortrag von Prof. Miethke und Dr. Michael Thomas über die Behandlung der oft vergessenen Patientengruppe mit Behinderungen und den unterstützenden Möglichkeiten, die das Unternehmen Align Technology mit Invisalign® dazu bieten kann. Im Anschluss beeindruckte der japanische Kollege Dr. Kenji Ojima mit seiner Präsentation von komplexen Aligner-Behandlungen im Zusammenspiel mit Accelerationstools. Weiter ging es mit einer wissenschaftlichen und klinischen Bewertung der Eignung von FDM-Druckverfahren zur Modelherstellung in der Alignertechnik durch Prof. Karl-Friedrich Krey der Universität Greifswald. Dr. Nils Stucki aus der Schweiz beschäftigte sich in seinem Beitrag mit Fragen des Alignerdesigns, welches noch viele Variationen offen lässt. Dr. Thomas Drechsler präsentierte im Anschluss die Möglichkeiten der Teen-Behandlung mit Alignern auch bei Patienten mit weit entfernt gelegenen Wohnorten. Danach stellte Dr. Hisham Hammad seinen Erfahrungsbericht bei der transversalen Expansion mit Alignern vor, ehe Dr. Phil Scheurer aus der Schweiz mit einer umfassenden Bewertung der unterschiedlichen Aligner-Systeme auf dem Markt den Kongress beendete.
DGAO-Wissenschaftspreis 2018
Bereits am Freitagabend wurde im Anschluss an das Tagungsprogramm zum vierten Mal der DGAO-Wissenschaftspreis verliehen. Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich und Präsident der DGAO e.V. Prof. em. Dr. Miethke konnten drei Forschergruppen für ihre hervorragenden Arbeiten auszeichnen. Der mit 5.000 € dotierte dritte Preis ging an das Team DDr. Michael Nemec von der Universität Wien und seinen Mitstreitern für ihre Arbeit „External apical root resorption during orthodonti treatment with Invisalign® and multibracket therapy“. Über 7.500 € konnten sich Prof. Dr. Dr. Bernd Lapatky und Dr. Fayez Elkholy für ihren Beitrag „Influence of different attachment geometries on the mechanical load exerted by PET-G aligners during derotation of lower canine“ als zweite Preisträger freuen. Insgesamt für den ersten Preis mit 15.000 € förderungswürdig erschien dem Preiskomitee die Projektgruppe um Frau Ass. Prof. Dr. Margit Pichelmayer Leiterin der Kieferorthopädie der Zahnklinik Graz und Ass.-Prof. Dr. Thomas Grießer, Leiter des Christian Doppler Labors für funktionelle Druckertinten auf Polymerbasis der Montanuniversität Leoben sowie deren Mitarbeitern mit ihrem Studienansatz zum Thema „Evaluierung von biokompatiblen photoreaktiven Monomeren für den 3D-Druck von kieferorthopädischen Zahnschienen“. Prof. Miethke freute sich über die zahlreichen und qualitativ sehr hochwertigen Einreichungen in diesem Jahr und ermutigte alle auch in Zukunft sich wieder für den DGAO-Wissenschaftspreis zu bewerben. Dieser wird das nächste Mal zum Kongress 2020 verliehen. Einsendeschluss hierzu ist der 30. Juni 2020.
Industrieausstellung
An fast 30 Ständen konnten sich die Kongressteilnehmer, während der Pausen der Tagung, im Saal- und Erdgeschoss-Foyer sowie im kleinen Saal des Gürzenich, über die neusten Entwicklungen der Hersteller informieren. Die drei Hauptsponsoren präsentierten dabei im großzügigem Saalfoyer ihre neuesten Produktreihen: CA® Professional – Das neue Aligner-System für komplexe Indikationen (CA Digital), Invisalign® first – für die Frühbehandlung im Wechselgebiss, iTero® Element 2 und iTero® Element Flex – die neuen Intraoralscaner aus der iTero®-Familie (beide Align Technology) und Orthopulse® (Biolux Research). Die Aussteller konnten sich, dank der hohen Teilnehmerzahl, über zahlreiche Gäste auf ihren professionell gestalteten Präsentationsflächen freuen. Gerade die unmittelbare Nähe zwischen Vortragssaal und Ausstellungsbereich wurde von beiden Seiten sehr positiv aufgenommen.
DGAO-Night
Auch das Abendprogramm wartete wieder mit etwas Außergewöhnlichem auf. Direkt unterhalb des Kölner Doms zelebrierten die Kongressteilnehmer im legendären, 1915 im Jugendstil erbauten, Alten Wartesaal ein stilvolles 3-Gänge-Menu. Danach wurde bei bester Partystimmung noch bis spät in die Nacht das Tanzbein geschwungen.
Fazit und Ausblick
Zum Abschluss bedankte sich Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich zunächst bei allen Referenten für Ihre Einreichungen, welche leider auf Grund der außergewöhnlich hohen Anzahl und der begrenzten Zeit nicht alle berücksichtigt werden konnten. Danach galt ihr herzlicher Dank den zahlreichen Teilnehmern, die zum Teil weite Wege auf sich genommen hatten, um sich auf dem Gebiet der Aligner Orthodontie weiterzubilden, genauso würdigte sie gebührend die Aussteller der Industrie und das gesamte Kongress-Team, ohne deren unermüdlichen Einsatz eine Veranstaltung in dieser Größenordnung nicht denkbar wäre. Am Ende waren sich alle einig, dass der diesjährige 5. Kongress der DGAO die bereits hohen Erwartungen noch einmal bei weitem übertroffen hat. Und so freuten sich nach zwei ausgefüllten, bereichernden Tagen alle schon auf den nächsten Aligner-Kongress der DGAO e.V., der in zwei Jahren erneut in Köln am 20. und 21. November 2020 stattfinden wird, dann sogar mit einem Vorkongress am 19. November.